2020-10-20:
Der Radverkehr gilt als wichtiger Bestandteil der angestrebten Energie- und Mobilitätswende. Um die Maßnahmen entsprechend der tatsächlichen Bedürfnisse von RadfahrerInnen planen und Fördermittel effizient einsetzen zu können, braucht es aktuelle Entscheidungsgrundlagen. Im Forschungsprojekt Bicycle Observatory wurden nun für den Großraum Salzburg notwendige Fahrraddaten erhoben, ausgewertet und bereitgestellt: Ergebnisse sind ein Fahrrad-Dashboard, das EntscheidungsträgerInnen ein Lagebild der Fahrradmobilität in Echtzeit bietet, sowie die Identifikation von vier verschiedenen Fahrradtypen.
Die meisten Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs orientieren sich an durchschnittlichen RadfahrerInnen, die es in dieser Form jedoch nicht gibt. Die Gruppe der radfahrenden Personen ist enorm vielfältig und sehr unterschiedlich. Diese Vielfalt gilt es zu beachten, wenn Fördermaßnahmen in der Breite wirken sollen.
Internationale RadverkehrsexpertInnen sind sich einig: Grundlage für relevante Entscheidungen zum Radverkehrsmanagement und zur Planung und Evaluierung von Maßnahmen sind valide Daten. Eine Umfrage im Rahmen der Forschungsarbeit zu Bicycle Observatory zeigt die Brisanz: 98 Prozent der über 300 teilnehmenden RadverkehrsexpertInnen erachten Daten zur Fahrradmobilität als wichtig bzw. sehr wichtig für ihren jeweiligen Tätigkeitsbereich. Allerdings gaben lediglich elf Prozent an, sämtliche Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden Daten bewältigen zu können. Zwischen Bedarf und Verfügbarkeit derartiger Daten klafft also meist eine Lücke.
Hier setzte das Konsortium von Bicycle Observatory an: Daten aus unterschiedlichen Quellen wurden miteinander verschränkt, um so ein möglichst umfassendes Bild der Fahrradmobilität in Salzburg zu erhalten.
Den Radverkehr im Blick: Daten als wichtige Entscheidungsgrundlage
Für die Großregion Salzburg wurden im Forschungsprojekt Bewegungsdaten aus mobilen Anwendungen, Mobilitätserhebungen und Ergebnisse von Fokusgruppeninterviews zusammengeführt. Die besondere Herausforderung lag hierbei in der konzeptionellen und technischen Zusammenführung der unterschiedlichen Datenbestände. Dafür griffen die ForscherInnen auf Methoden der Geoinformatik zurück: „Die räumliche Koordinate, also der geographische Raumbezug, diente als gemeinsamer Schlüssel für sämtliche Datenebenen. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt in der Unabhängigkeit von den jeweiligen Domänen, in denen die Daten originär erhoben und verarbeitet wurden“, sagt Projektleiter Martin Loidl vom Fachbereich Geoinformatik – Z_GIS an der Universität Salzburg.
„Trotz der allgemeinen Annahme einer durch die fortschreitende Digitalisierung sämtlicher Lebensbereich verursachten Datenflut stellte sich der Mangel passender Daten als wesentlicher Flaschenhals in der Etablierung eines integrierten Lagebildes der Fahrradmobilität heraus“, sagt Sven Leitinger, Forscher im Bereich Mobility & Transport Analytics bei Salzburg Research.
Um die gesammelten Daten bestmöglich in Wert zu setzen, wurde ein übersichtliches Dashboard entwickelt: „Im Dashboard werden Daten und Analyseergebnisse in Form von Karten, Diagrammen und Kennzahlen übersichtlich aufbereitet. EntscheidungsträgerInnen erhalten damit ein Lagebild der Fahrradmobilität in Echtzeit“, sagt Ulrike Brocza vom auf innovative Mobilitätslösungen fokussierten IT-Dienstleister PRISMA solutions aus Mödling.
RadfahrerInnen sind höchst unterschiedlich: Vier Fahrrad-Typen
In einem so genannten Mixed-Method Ansatz wurden aus unterschiedlichen Datenquellen verschiedene Radfahrtypen abgeleitet. Dazu wurden über 1.000 Personen zu ihrem Mobilitätsverhalten, sowie ihren Wertehaltungen und Lebensstilen befragt. Bei dieser Analyse kristallisierten sich vier Typen von RadfahrerInnen heraus, die sich in ihrer Haltung dem Radfahren gegenüber sowie in ihrem Mobilitätsverhalten merklich unterscheiden.
Sind Sie mehr Margit, Basti, Lisa oder Volker? „Die vier Radfahr-Typen helfen als stilisierte Modelle die Heterogenität der Radfahr-Community deutlich erkennbar zu machen. Die einzelnen Typen unterscheiden sich stark darin, ob sie eher im Alltag oder in der Freizeit fahren, ob das Radfahren eher Leidenschaft oder nur Fortbewegungsmittel ist, ob sie nur bei Sonnenschein oder auch bei Schlechtwetter am Rad unterwegs sind und ob sie Routine-Wege nutzen oder lieber improvisieren“, sagt Patrick Kofler von der auf nachhaltige Mobilität spezialisierten Agentur Helios in Bozen.
Mehr zu den vier Fahrrad-Typen Margit, Basti, Lisa und Volker verrät dieses Video:
Über Bicycle Observatory
Im Forschungsprojekt „Bicycle Observatory – Am Puls der Fahrradmobilität“ wurde in den vergangenen Monaten durch die Zusammenführung von technischen Sensordaten und sozialwissenschaftlichen Erhebungsdaten ein mehrdimensionales, räumlich differenziertes Lagebild des Radverkehrs konzipiert, um den Radverkehr als Gesamtsystem sowie dessen Heterogenität innerhalb der Gruppe der RadfahrerInnen besser zu verstehen. Die Erkenntnisse, die im Testraum Salzburg erhoben wurden, lassen sich allgemein anwenden.
Konsortium: Universität Salzburg – Fachbereich Geoinformatik Z_GIS (Projektleitung), Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH, Helios – Agentur für nachhaltige Mobilität, PRISMA solutions EDV-Dienstleistungen GmbH. Das Forschungsprojekt Bicycle Observatory wurde gefördert vom Klimaschutzministerium im Programm „Mobilität der Zukunft“.
Rückfragehinweise:
Martin Loidl, Z_GIS Universität Salzburg
martin.loidl@sbg.ac.at, +43 662 8044 7534
Sven Leitinger, Salzburg Research
sven.leitinger@salzburgresearch.at, +43 662 2288 282
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