2014-09-04:
Lahme Ente statt Wirbelwind.
Die vierte industrielle Revolution lässt auf sich warten.
Erste Ergebnisse aus der Studie Instandhaltung 4.0
Nicht erst seit dem Start des diesjährigen Forum Alpbach überstürzen sich die Medien mit verheißungsvollen Berichten zur vierten industriellen Revolution. Eine Salzburger Forschungsinitiative hat näher hingesehen und präsentiert nun erste Ergebnisse.
Projektleiter Georg Güntner (Salzburg Research) kommt gleich zum Punkt: „Nach wie vor haben nur wenige Unternehmen innerbetriebliche Visualisierungsmaßnahmen in Pilotprojekten umgesetzt. Die von uns befragten Experten schätzen, dass erst in etwa 5 bis 20 Prozent der Unternehmen erste Initiativen gesetzt wurden.“ Dieses Ergebnis erstaunt, besonders im Hinblick auf die massive mediale Diskussion von Industrie 4.0.
Instandhaltungs-Experte Günter Loidl (dankl+partner consulting) legt nach: „Die Tendenz ist klar. Kleine, innovative Unternehmen haben die Nase vorne, aber wir stehen noch ganz am Anfang.“ Oftmals wird die technische Realisierbarkeit mit der tatsächlichen Umsetzung gleichgesetzt. Doch das stellt sich als fataler Irrtum heraus.
Nicht wenige Industriebetriebe haben erste Initiativen im Bereich der Visualisierung und Vernetzung in ihren Instandhaltungsabteilungen nach ersten Gehversuchen wieder beendet. Kostensenkungen und Arbeitserleichterungen waren größtenteils nicht eindeutig nachweisbar. Das ist eine logische Entwicklung, greift Günter Loidl auf, die Herausforderung seien nicht die technischen Lösungen, sondern die Einbindung und Qualifizierung der beteiligten Personen. Abteilungsübergreifendes, vernetztes Arbeiten fordert besonders bei Vollbluttechnikern vermehrt Kommunikationskompetenzen ein. Diese Kompetenzen entstehen nicht einfach so, sie müssen professionell trainiert werden.
Die angekündigte Revolution ist in der Praxis also eher ein laues Lüftchen als der erwartete Wirbelwind. Und dennoch gibt es interessante Auswirkungen. Kleine, innovative Unternehmen werden die Gewinner dieser Entwicklung sein. Das spiegelt sich auch in den ersten Ergebnissen des Salzburger Forschungsprojektes. So geben etwas 35 Prozent der Studienteilnehmer aus Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern an, mobile Endgeräte bereits in ihrer Instandhaltung zu nützen, mehr als 60 Prozent dieser Gruppe nützen zentrale Datenspeicherung in der Instandhaltung und etwa die Hälfte planen in den kommenden fünf Jahren die Einführung sensorischer Überwachung ihrer Anlagen. Große, internationale Konzerne könnten hier langfristig das Nachsehen haben.
Die lahme Ente sitzt manchmal auch in der Führungsetage. Nur wenn die Unternehmensführung den Mehrwert von Industrie 4.0-Anwendungen erkennt, fördert und aktiv einfordert, wird das Unternehmen von der ‚vierten industriellen Revolution‘ profitieren.
In den kommenden Monaten wird im Rahmen der Forschungsinitiative ‚Instandhaltung 4.0‘ untersucht, wie sich der Trend zur Virtualisierung und Vernetzung auf die Industrie und konkret auf die Instandhaltung auswirkt. Das Forschungsteam erhebt Chancen, Gefahren und Möglichkeiten, die sich aus dem Einsatz von Internet-Technologien ergeben und erstellt daraus eine Forschungs-Road Map für Österreich. Infos zum Projekt: http://instandhaltung40.salzburgresearch.at/
Instandhaltung, was ist das?
Instandhaltung (engl. Maintenance) ist in der DIN-Norm 31051 geregelt und umfasst die Grundmaßnahmen Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Verbesserung. Hauptziel der Instandhaltung ist das Vermeiden von teuren Anlagenstillständen in produzierenden Unternehmen, um damit die Wertschöpfung zu erhöhen.
Mitarbeiter in der Instandhaltung sind durch komplexe, vernetzte Anlagen besonders gefordert. Die Auswirkungen von Virtualisierung und Vernetzung sind in diesem Bereich gravierend.
Downloads:
Portrait Georg Güntner, Salzburg Research >>
Fotovermerk: © C-Stummer photography
Foto Günter Loidl, dankl+partner consulting >>
Fotovermerk: © Industriellenvereinigung Salzburg/Neumayr