Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen bietet weit mehr als nur nachhaltige Mobilität. Ein aktuelles Whitepaper zeigt auf, wie geteilte E-Fahrzeugflotten als mobile Energiespeicher genutzt werden können, um Netzstabilität zu fördern, erneuerbare Energien effizienter zu nutzen und wirtschaftliche Vorteile zu generieren.
Begriffsdefinition:
- Intelligentes Laden ermöglicht die Anpassung von Leistung und Zeitrahmen im Ladevorgangs je nach externen (Preis-)Signalen. So kann z. B. ein Elektrofahrzeug über Nacht langsam geladen werden, wenn die Strompreise niedrig sind.
- Bidirektionales Laden (Vehicle-to-Grid – V2G) ist eine Weiterentwicklung des intelligenten Ladens. Bidirektionales Laden ermöglicht den Rückfluss von Energie. Also nicht nur vom Netz zur Batterie, sondern auch von der Batterie zurück zu einem Gebäude oder dem Netz.
Innovative Nutzung von E-Fahrzeugflotten
Das Whitepaper untersucht vier Fallstudien in Österreich, der Schweiz und Israel, die verschiedene Geschäftsmodelle für den Einsatz von E-Fahrzeug-Flotten analysieren:
PV-optimierte Selbstversorgung in Österreich
- Intelligentes Laden: In einer Konstellation ohne PV und mit dynamischen Strompreisen kann intelligentes Laden die Energiekosten im Vergleich zu unkontrolliertem Laden um 27 % senken. In einer Konstellation mit PV und statischen Strompreisen können die Energiekosten durch intelligentes Laden um 68 % gesenkt werden, indem in Zeiten von PV-Überschusserzeugung geladen wird.
- V2G: In einer Konstellation ohne PV und mit dynamischen Preisen kann V2G die Energiekosten im Vergleich zum unkontrollierten Laden um 29 % senken. Darüber hinaus kann die Flotte Energie an das Netz verkaufen, wodurch sich die Gesamtbilanz (Einnahmen aus Energieverkäufen abzüglich Energiekosten) der Flotte um 46 % erhöht. In der gleichen Konstellation, einschließlich PV, erhöht sich die Gesamtbilanz ebenfalls um 46 %. Bei einer Konfiguration mit PV und statischen Preisen sinken die Energiekosten durch V2G um bis zu 93 % und die Gesamtbilanz erhöht sich um 14 %. Wenn die Kosten für die Batteriedegradation in die Optimierung einbezogen werden, halbieren sich die potenziellen Gewinne aus dem Energieverkauf. In bestimmten Konstellationen mit hohen Batteriedegradationskosten können die Degradationskosten sogar den gesamten Gewinn zunichte machen.
Fazit:
- Intelligentes Laden ist eine „low-hanging fruit“ zur Senkung der Energiekosten.
- V2G hat das Potenzial, durch Energiehandel Gewinne zu erzielen.
- Die Kosten für die Degradation von Batterien sind relevant.
- Der monetäre Wert von Smart Charging und V2G sind bescheiden, aber beide ermöglichen relativ gesehen bemerkenswerte Vorteile.
Netzstabilisierung in Zürich
Eine Flotte von 24.000 E-Fahrzeugen zeigte das Potenzial, Spitzenlasten im Stromnetz um bis zu 6 % zu reduzieren.
Fazit:
- Zukünftige EV-Flotten haben die Batteriekapazitäten für die Netzstabilisierung.
- Realistische Strompreisstrukturen bieten kaum Anreize für Peak Shaving.
- Wirtschaftliche Anreize für Peak Shaving erfordern einen außergewöhnlich hohen Spitzenstromtarif und verfügbare Batteriekapazitäten.
Energiehandel mit E-Fahrzeugen
- Intelligentes Laden: Bei einer Konfiguration mit einem durchschnittlichen dynamischen Tarif werden die Energiekosten um 5,9 % gesenkt. Die Reduzierung ist aufgrund der geringen Preisspanne des dynamischen Tarifs (Strompreis zwischen 0,22 und 0,25 Euro/kWh) bescheiden. Intelligentes Laden in Kombination mit einem stark schwankenden Tarif (Preis zwischen -0,01 und 0,24 Euro/kWh) kann die Energiekosten um 49 % senken. In der untersuchten Anlage sind solche Preisschwankungen jedoch sehr selten und treten nur wenige Male im Jahr auf.
- V2G: Die Kombination aus V2G und einem stark schwankenden dynamischen Tarif zeigt das volle Potenzial der Technologie. Die Energiekosten können um 59 % gesenkt werden. Darüber hinaus werden mit V2G erhebliche Gewinne erzielt, die 140 % höher sind als die ursprünglichen Energiekosten ohne V2G. Folglich werden die Energiekosten gesenkt und Gewinne erwirtschaftet. Allerdings sind ausreichend schwankende dynamische Preise selten. Wenn im Optimierungsmodell die Kosten für die Degradation der Batterien hinzukommen, verschlechtert sich die Bilanz und der Handelsgewinn wird fast vollständig zunichtegemacht. Dennoch sinken die Gesamtkosten um 94 %. In dieser spezifischen Konstellation (gekennzeichnet durch niedrige Energiekosten) kann V2G in Kombination mit einem schwankenden dynamischen Tarif einen monetären Wert von bis zu 14,4 Euro pro Fahrzeug und Monat generieren.
Fazit:
- V2G und dynamische Preise haben das Potenzial, die Energie- und Gesamtkosten erheblich zu senken.
- Eine EV-Flotte, die für den Energiehandel genutzt wird, generiert minimale Gewinne.
- Die angewandten realistischen Preisstrukturen bieten kaum Möglichkeiten für den Energiehandel.
- Gewinne aus dem Stromhandel erfordern eine ausreichend große Preisspanne.
- Batteriedegradationskosten sind relevant und haben das Potenzial, eine profitable Anwendung von V2G zu verhindern.
PV-Überschussnutzung in Tel Aviv
Eine Simulation für das Jahr 2030 zeigte, dass große Fahrzeugflotten bis zu 5 % der überschüssigen Solarenergie speichern könnten, wodurch Emissionen reduziert und Energiekosten gesenkt würden.
- Städtische Perspektive: Smart Charging und V2G-Technologie erhöhen den PV-Überschussnutzungsgrad in jedem Szenario, wobei V2G stets den höchsten PV-Überschussnutzungsgrad erreicht. Relativ gesehen erreicht der höchste PV-Nutzungsgrad 22,39 %. Dies wird in einem Szenario mit einer großen Flotte und der niedrigsten angenommenen PV-Erzeugung erreicht. Die höchste absolute Menge an genutzter überschüssiger Energie wird in einem Szenario mit einer großen Flotte und einer großen PV realisiert, die etwa 5 % des gesamten PV-Energieüberschusses ausmacht. Die maximale Menge an genutzter PV-Überschussenergie macht jedoch nur 0,41 % des gesamten Energieverbrauchs der Stadt aus.
- Flottenperspektive: In dieser speziellen Konstellation kann eine E-Fahrzeugflotte bis zu 56 % ihrer Energiekosten durch den Einsatz von intelligentem Laden und bis zu 58 % durch V2G einsparen. Darüber hinaus kann mit Hilfe von V2G mehr überschüssige PV-Energie genutzt werden, als die Flotte ursprünglich verbraucht. Infolgedessen kann die ursprünglich aus dem Netz bezogene (vermutlich fossile) Energie erheblich reduziert und durch emissionsarme PV-Überschussenergie ersetzt werden. Daher hat die Anwendung von V2G eine CO2-reduzierende Wirkung. Wenn die Energiepreise niedrig sind, kann der monetäre Wert der CO2-Reduktion zudem finanziell bedeutend sein.
Fazit
- Ein begrenzter Anteil der überschüssigen PV-Energie kann von einer EV-Flotte genutzt werden. Die Menge der genutzten Energie ist jedoch nicht systemrelevant.
- Das Mobilitätsverhalten beeinflusst das Potenzial der Flotte zur Nutzung überschüssiger PV-Energie.
- Intelligentes Laden kann die Energiekosten einer E-Fahrzeugflotte deutlich senken. V2G kann sogar Gewinne erwirtschaften.
- V2G kann ein nahezu klimaneutrales Fahrzeug ermöglichen.
- Großflächige PV-Überschussnutzung erfordert eine riesige EV-Flotte.
Potenzial und Herausforderungen
Die Ergebnisse zeigen, dass EV-Flotten eine bedeutende Rolle im zukünftigen Energiesystem spielen können. Besonders in Kombination mit Solarenergie und dynamischen Strompreismodellen können erhebliche Einsparungen und Effizienzsteigerungen erzielt werden. Allerdings bestehen noch Herausforderungen, darunter regulatorische Rahmenbedingungen, Batteriedegradation und die Notwendigkeit einer kritischen Masse an Fahrzeugen.
Während einige Geschäftsmodelle bereits heute wirtschaftlich attraktiv sind – etwa die Optimierung des Eigenverbrauchs durch PV – erfordert die großflächige Integration von E-Fahrzeugen in das Energiesystem weitere Innovationen und politische Anpassungen. Die Ergebnisse des Whitepapers liefern jedoch eine klare Botschaft: Elektrofahrzeuge sind nicht nur Verkehrsmittel, sondern könnten eine Schlüsselrolle in der Energiewende spielen.
Publikationen:
- Guntram Pressmair, Jakob Papouschek, Michael Thelen, Roberto Rocchetta, Jalomi Maayan Tardif, Aviva Shemesh (2024): New Business Opportunities Leveraging the Flexibility Potential of Electric Shared Vehicle Fleets. GAMES Industry White Paper.
- Guntram Pressmair, Jakob Papouschek, Michael Thelen, Roberto Rocchetta, Jalomi Maayan Tardif, Aviva Shemesh (2025): Executive summary of the GAMES Industry Whitepaper: New business opportunities leveraging the flexibility potential of electric shared vehicle fleets. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.14802682.
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