Salzburg Research hat in einer Studie das Sicherheitsempfinden von Fahrgästen an Bord eines fahrerlosen Shuttles ohne Operator untersucht. Die Ergebnisse helfen sowohl in der Forschung wie auch bei der Produktentwicklung im Bereich des autonomen Fahrens. Eine angemessene Reaktion auf diese Bedenken und Herausforderungen im Sicherheitsempfinden wird dazu beitragen, die Akzeptanz von automatisierten Fahrzeugen in der Gesellschaft weiter zu fördern.
Autonome Fahrzeuge, insbesondere Shuttles und Busse mit minimaler Beteiligung eines Fahrers/einer Fahrerin oder gänzlich fahrerlose Shuttles (SAE Level 4 und 5) werden sich in unserem Verkehrssystem nur dann durchsetzen, wenn die Gesellschaft diese Dienste akzeptiert und nutzt. Die langfristige Vision ist ein System von autonomen Shuttles, die in einem gemischten Verkehrsumfeld eingebettet sind und eine hohe Akzeptanz genießen. Die Akzeptanz und Bereitschaft der Menschen, automatisierte Fahrzeuge (Automated Vehicles – AVs) zu nutzen, hängt jedoch von mehreren Faktoren ab: soziodemografische Merkmale – wie Alter, Geschlecht, Einkommen und Bildungsniveau – beeinflussen die Akzeptanz von AVs als allgemeines Verkehrsmittel. Auch kontextbezogene Faktoren wie Kaufpreise, Anreize, Bekanntheitsgrad sowie Fahr- und Wartezeiten wirken sich aus. Einer der wichtigsten Aspekte für die Akzeptanz ist jedoch die wahrgenommene Sicherheit aus Sicht der Fahrgäste. Da es sich bei AVs der Stufe 4 und insbesondere der Stufe 5 um eine neue Form des Transports ohne menschliche Fahrerinnen und Fahrer handelt, müssen die Nutzerinnen und Nutzer Vertrauen in fahrerlose Shuttles haben, um sich sicher fühlen.
Salzburg Research untersuchte die wahrgenommene Sicherheit von Fahrgästen in einem autonomen Shuttle (SAE Level 4), ohne Operator an Bord. Im Rahmen von vier verschiedenen Testfahrten wurden Aspekte simuliert, die das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste herausfordern könnten: Die Fahrgäste mussten alleine (ohne Operator) im Shuttle fahren, mit einem sich unangenehm verhaltenden Fahrgast interagieren und auf zwei verschiedene unerwartete technische Schwierigkeiten reagieren. Im Anschluss wurden die Fahrgäste zu ihrem Sicherheitsempfinden befragt.
In unserer explorativen Studie nahmen 16 Fahrgäste (3 Frauen, 13 Männer) an den fahrerlosen Testfahrten teil. Verschiedene Altersgruppen waren beteiligt: Die jüngste Teilnehmerin war 21 Jahre alt, die älteste war über 70 Jahre alt.
Allgemeines Sicherheitsempfinden
Im Allgemeinen war das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste in der Studie hoch. Die Fahrgäste wurden nach jeder Testfahrt gefragt, wie sicher sie sich insgesamt gefühlt haben, und sie fühlten sich „sicher“ (27 % der Antworten) oder „sehr sicher“ (73 % der Antworten). Keiner der Fahrgäste wählte nach einer Testfahrt die Option „weniger sicher“ oder „nicht sicher“ auf der 4-teiligen Likert-Skala.
Kontakt zu einer Person
Nachdem die Fahrgäste alle vier Testfahrten erlebt hatten, wurden sie gefragt, ob sie in verschiedenen Situationen eine Person in einem Leitstand kontaktieren möchten. Wir haben die Situationen, in denen Fahrgäste mit einem Leitstand Kontakt aufnehmen möchten, in Notsituationen (unerwarteter Halt, Belästigung, Notfall) und Nicht-Notfallsituationen (Informationsanfragen) unterteilt. Für allgemeine Informationen über die Strecke, den Fahrplan oder Anschlüsse auf der Strecke wünschten sich nur fünf Fahrgäste Informationen von einer Person in einem Leitstand. Im Gegensatz dazu möchten alle Fahrgäste im Falle eines unerwarteten Halts des Fahrzeugs eine Person in einem Leitstand kontaktieren können. Ebenso möchten 11 Fahrgäste in Notsituationen oder wenn sie sich von anderen Fahrgästen belästigt fühlen, mit einer Person in einem Leitstand sprechen.
Faktoren, die die wahrgenommene Sicherheit beeinflussen
Auf die Frage, welche Faktoren ihr Sicherheitsempfinden beeinflussen, gaben die Fahrgäste über alle Testfahrten hinweg 63 Aussagen ab, die weiter analysiert wurden. Die Antworten der Fahrgäste konnten in vier verschiedene Kategorien eingeteilt werden: Fahrstil des Shuttles, Vertrauen in die Technik, Ausstattung und Anwesenheit eines unangenehmen Fahrgastes.
Die in Abbildung 2 dargestellten Aussagen der Fahrgäste zeigen, dass der Fahrstil des Shuttles eine zentrale Rolle spielt und in 35% aller Antworten genannt wurde. Einer der Fahrgäste fühlte sich beispielsweise sicher durch eine „Fahrt ohne Ruckeln […]“. Ein anderer Fahrgast schätzte „die sehr ruhige Fahrt“ und wieder ein anderer Fahrgast genoss das „[…] sanfte Bremsen und die sehr leisen Fahrgeräusche“.
Ebenso wichtig ist das Vertrauen in die Technik. 33 % der Befragten gaben an, dass ihr eigenes Vertrauen in die Technik ihr Sicherheitsempfinden beeinflusst. Ein Fahrgast nannte die folgenden Faktoren: „Vertrauen in die Technik, Fremdheitsgefühl aufgrund der Neuheit, Grundvertrauen muss vorhanden sein“. Ein anderer Fahrgast gab an, dass er oder sie „Vertrauen in die neue Technologie hat“, was zu einem soliden Sicherheitsempfinden führt, einige Fahrgäste erwähnten, dass sie „Vertrauen in den Leitstand“ haben.
Darüber hinaus nannten die Fahrgäste in 25 % der gegebenen Antworten die Ausstattung des fahrerlosen Shuttles als einen Einflussfaktor. Ein Fahrgast begründete die hohe gefühlte Sicherheit mit „viel Platz […]“. Einem anderen gefiel die „Übersichtlichkeit der Fahrt, große Fenster […]“. Ein weiterer Fahrgast gab an, dass die „[…] Ausstattung des Shuttles“ zu seiner empfundenen Sicherheit positiv beiträgt.
Weniger als 10% aller Antworten betrafen die Anwesenheit eines unangenehmen Fahrgastes. Diese Antworten stammen hauptsächlich aus der Testfahrt 2, bei der man mit einem unangenehmen Fahrgast konfrontiert wurde.
Vorschläge zur Erhöhung der wahrgenommenen Sicherheit
Nach jeder Testfahrt wurden die Fahrgäste gefragt, was zu einer Erhöhung des Sicherheitsempfindens beitragen würde. Insgesamt wurden 45 Aussagen gesammelt und die Antworten der Fahrgäste in fünf verschiedene Kategorien eingeteilt (Kontakt mit einem Leitstand, Informationen über das Shuttle/das System, Sicherheitsgurte, Notfallknöpfe, Haltegriffe).
Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, betrafen fast 50 % aller Antworten den möglichen Kontakt mit einer Person in einer Leitstelle, entweder aktiv oder passiv. So gab beispielsweise ein Fahrgast an, dass die gefühlte Sicherheit durch eine „verständliche Sprachkommunikation ohne Unterbrechungen“ erhöht werden könnte. Zwei weitere Fahrgäste sind der Meinung, dass eine „bessere Qualität der Durchsagen“ und eine „bessere und schnellere Verbindung zum Leitstand […]“ positiv zur gefühlten Sicherheit beitragen würden. Ein Gast würde sich sogar die „vollständige Anwesenheit [eines Operators]“ wünschen.
Knapp ein Viertel (22%) der Aussagen der Fahrgäste zeigte, dass eine ausreichende Information über das autonome Shuttle und das zugrundeliegende System zu ihrer gefühlten Sicherheit beitragen würde („mehr Informationen über das System würden die Skepsis vor dem Einsteigen verringern“). Darüber hinaus wurden einige Ausstattungsmerkmale wie Sicherheitsgurte, Notfallknöpfe und Haltegriffe oder andere Haltevorrichtungen genannt.
Fazit
Sechzehn Fahrgäste erlebten fahrerlose Shuttle-Fahrten ohne einen Operator oder ein Forschungsmitglied an Bord und berichteten über ihr Sicherheitsempfinden. Die Testfahrten repräsentieren Situationen, die für den Einsatz von fahrerlosen Shuttles relevant sind und das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste beeinflussen könnten.
Im Allgemeinen fühlten sich die Fahrgäste bei allen Testfahrten sicher. Obwohl die öffentliche Meinung gegenüber AVs skeptisch sein mag – wobei Sicherheitsbedenken für Fahrgäste und Fußgänger/-innen die größte Skepsis darstellen -, ändern sich die Meinungen und Einstellungen der Menschen positiv, wenn sie eine Fahrt in einem AV erleben. Die wahrgenommene Sicherheit steigt mit der Erfahrung mit einem fahrerlosen Shuttle. Außerdem wären die Menschen auch eher bereit, für eine Fahrt in einem Shuttle zu bezahlen, nachdem sie es erlebt haben.
In unserer Studie gaben die Fahrgäste nach ihrer Erfahrung mit dem autonomen Shuttle an, dass ihre Wahrnehmung der Verkehrssicherheit keine separate Fahrspur für das Shuttle erfordert, wenn sie an eine Zukunft denken, in der autonome Shuttles bereits Teil des Mobilitätssystems sind. Darüber hinaus gaben die Fahrgäste in der vorliegenden Studie an, dass das Shuttle nicht den gleichen Fahrstil wie ein menschlicher Fahrer/eine menschliche Fahrerin benötigt.
Als Faktoren, die das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste beeinflussen, wurden wiederholt der Fahrstil des Shuttles sowie das Vertrauen der Fahrgäste in die Technologie genannt. Während der vier verschiedenen Testfahrten erwähnten die Fahrgäste den Fahrstil des Shuttles immer seltener, je mehr Erfahrungen sie mit dem Fahrzeug gesammelt hatten. Bei den Faktoren, die das Sicherheitsempfinden erhöhen würden, wurde die Möglichkeit, jemanden in einer Leitstand zu kontaktieren, am häufigsten genannt. Situationsmanagement und Systemtransparenz haben dabei einen hohen Stellenwert.
Für die weitere Forschung und Gestaltung von AVs hat dies Auswirkungen darauf, wie das Bedürfnis der Menschen, mit einem Leitstand in Kontakt zu treten, am besten erfüllt werden kann (und birgt interessante Forschungsfragen, z. B. ob menschliche oder robotische Interaktion mit oder ohne anthropomorphe Merkmale die wahrgenommene Sicherheit beeinflussen würde). Darüber hinaus könnte es notwendig sein, die Option, einen Leitstand zu kontaktieren, effektiv zu kommunizieren und Informationen über die Technologie von AVs zu geben, damit sich die Fahrgäste sicherer fühlen.
Dieser Beitrag ist eine stark gekürzte Version des Journal-Papers:
Luger-Bazinger C, Zankl C, Klieber K, Hornung-Prähauser V, Rehrl K. Factors Influencing and Contributing to Perceived Safety of Passengers during Driverless Shuttle Rides. Future Transportation. 2021; 1(3):657-671. https://doi.org/10.3390/futuretransp1030035
Mehr Informationen zum Projekt: https://www.digibus.at