Gendersensitive Interaktion mit sozialen Robotern
In den vergangenen 34 Monaten erforschte Salzburg Research gemeinsam mit MOVES – Zentrum für Gender und Diversität und den Johannitern Österreich den möglichen Einsatz von sozialen Robotern als Unterstützung für Menschen über 50 Jahren oder mit einer chronischen Erkrankung, wie z.B. Diabetes. Ein besonderer Fokus wurde auf eine gendersensitive Interaktion gelegt. Im Rahmen eines Webinars wurden die Ergebnisse Ende August 2021 präsentiert.
Soziale Roboter können für Menschen über 50 Jahren und/oder einer chronischen Erkrankung eine wertvolle Stütze sein. Sie ermöglichen im Vergleich zu klassischen Smartphone-Apps oder Web-Anwendungen einen „natürlicheren Umgang“ zwischen Mensch und Maschine. Soziale Roboter sind außerdem proaktiv: Sie können sich aktiv an die Nutzerinnen und Nutzer wenden und auch Emotionen aus der Sprache oder der Mimik erkennen. Durch die Einbindung von weiteren Wearables, wie zum Beispiel einer Smartwatch, können darüber hinaus auch Daten zu Stress und Schlaf erhoben werden. Der soziale Roboter kann dann dazu passende Tipps empfehlen.
Ergebnisse aus der Forschung
Erleben Menschen über 50 bzw. Menschen mit Diabetes die Interaktion mit einem sozialen Roboter als hilfreich? Der Prototyp wurde immer wieder potenziellen Nutznießerinnen und Nutznießern vorgestellt. Das Feedback sowie weitere Wünsche aus den beiden Zielgruppen flossen in die weiteren Entwicklungen ein. Die Nutzerinnen und Nutzer taten sich zum Beispiel schwer zu erkennen, wann der Roboter aufnahmebereit war. Darum wurde die „Nase“ des Roboters als visuelles Zeichen etabliert: immer wenn sie grün leuchtet, hört der Roboter zu.
Fast zwei Drittel der Befragten erlebten die Interkation mit dem sozialen Roboter als spielerisch und empfanden Spaß dabei. Allerdings wurde bemängelt, dass die Interaktion keinem echten Gespräch nahekommt.
Je intuitiver „Sascha“ zu bedienen ist, desto sozialer agierend wird der Roboter wahrgenommen. Aus dem Beobachtungsprotokoll ging auch hervor, dass sich die Testpersonen selbst ebenfalls verhielten wie bei einem sozialen Gegenüber. So wurde der Roboter etwa begrüßt oder mit Nicken auf einen Vorschlag reagiert. Einige Testpersonen waren „zu höflich“, haben Bitte und Danke gesagt – was der Roboter wiederum nicht verstand. Die Kommunikation über reine Kommandos war für manche Testpersonen irritierend.
Potenzielles Risiko
Der Großteil der Befragten von 87% fühlt sich relativ sicher bei dem Gedanken, mit dem Roboter alleine zu sein. Geringfügige Bedenken gibt es in Bezug auf ein Gefühl der Überwachung (21,7%) und den Datenschutz (17,4%).
Aus dem Feedback sowohl der Nutzerinnen und Nutzer wie auch der Expertinnen und Experten ging hervor, dass die persönliche Selbstbestimmtheit und Entscheidungsfreiheit gewährleistet werden muss.
Gendersensitive Interaktion von Robotern
“Sascha”, “Chris”, “Anita” – hat der soziale Roboter ein Geschlecht?!
In der Ausgestaltung von Robotern muss speziell auf Gender-Stereotype geachtet werden. Diese sollen weder bewusst noch unbewusst auf neue Technologien übertragen werden. Nutzerinnen und Nutzer sowie Expertinnen und Experten waren sich einig: Beim sozialen Roboter „Sascha“ wurden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede wahrgenommen. Durch die Individualisierbarkeit können individuelle Präferenzen festgelegt werden. Interessant war, dass manche Seniorinnen und Senioren in ihrem Alltag gerne Stereotypen folgen würden.
Mögliche Anwendungsbereiche eines sozialen Roboters
Von den Nutzerinnen und Nutzern wie auch von Expertinnen und Experten wurden folgende Anwendungsmöglichkeiten für soziale Roboter genannt:
Pflege und Betreuung
– Bringdienste
– Tagesablauf unterstützen
– Füttern und heben
– Unterstützung von Pflegepersonal bei administrativen Tätigkeiten
– Erinnerungsfunktion in Kombination mit Kalenderfunktion
Gesundheitsüberwachung
– Erkennung Entwicklung von Alterskrankheiten
– Profiling
– Psychologische Analyse und Empfehlungen anhand Verhaltensdaten
– Ernährungsempfehlungen
– Kommunikation mit Gesundheitspersonal
(Automatisierter) Notruf
– Unfallüberwachung und Notruf
– Sensoreneinbindung über Augen des Roboters
– Szenarien im Falle einer Nicht-Erreichbarkeit von Kontakten
Gesundheitsförderung
– Stärkung kognitiver, sozialer, psychischer und motivationaler Faktoren der Nutzer/-innen
– Vital-und Sturzmanagement
– aktivierende Alltagsaktivitäten
Erinnerungen
– Termine
– Medikamente
– Messen von Gesundheitswerten
– Diabetesmanagement
Unterhaltung
– Spiele, vernetzt mit anderen
– Anrufe
– Kultur- und Freizeitangebote
– Bücherliste, Hörbücher vorlesen
– Routenplanung
– TV-Programm
Soziales Gegenüber
– Kamerad/-in
– „Haustier“
– Gesprächspartner/-in
– Vorbeugung gegen Einsamkeit
Der soziale Roboter Q.be One
Zum Einsatz kam im Projekt der soziale Roboter Q.bo One. Er verfügt u.a. über Open-Source Hardware und Software, 21 LEDs zur Darstellung von „Mund und Nase“, zwei HD-Kameras als „Augen“, ein unidirektionales Mikrofon als „Ohr“, 82dB Lautsprecher für die Tonausgabe, WiFi und Bluetooth für die Konnektivität, zwei Servomotoren für Bewegung des Kopfes sowie drei Touchsensoren für weitere Interaktion. Im Projektverlauf wurde er mit 3D-gedruckten „Händen“ als Halterung für ein zusätzliches Tablet, einem mobilen Unterbau sowie verbesserter, deutschsprachiger Sprach-Software erweitert.
Folgende Funktionen wurden am sozialen Roboter realisiert:
- Profildaten & Einstellungen: Personalisierung von Roboter und Funktionen
- Ernährungstagebuch: Protokollierung von Mahlzeiten mit dahinterliegender Nahrungsdatenbank
- Kalender & Erinnerungen
- Schlafdaten & -analyse: Synchronisation mit Smartwatches (z.B. Fitbit)
- Geführte Dialoge & Interventionen: Entscheidungsbäume zur Ursachenforschung von Themen und Problemen mit Interventionen und umfassende weiterführende Informationen
- Energie Batterie: Selbstreflexion zum persönlichen Energiehaushalt
- Versenden von Benachrichtigungen
Zum Forschungsprojekt: RoboGen: Gendersensitive Interaktion mit sozialen Robotern