RADBEST: Empfehlungen zur sicheren Radverkehrsführung in beengten Straßenverhältnissen

Den Radverkehr in beengten Straßenverhältnissen sicherer gestalten

Wie knapp und wie gefährlich sind Überholvorgänge zwischen Kfz und Radfahrenden wirklich? Forschende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz untersuchten unter Federführung von Salzburg Research mit modernsten Messtechnologien über 7.000 Überholvorgänge. Aus den Ergebnissen entstanden konkrete Handlungsempfehlungen für die sichere und komfortable Führung des Radverkehrs.

Straßenquerschnitte auf Hauptstraßen sind oft nicht ausreichend breit, um richtlinienkonforme, baulich getrennte Radverkehrsanlagen zu errichten. Fehlen zudem geeignete Ausweichrouten, bleiben diese Straßenabschnitte meist Lücken im Radverkehrsnetz. An diesen Abschnitten häufen sich innerorts und außerorts Konflikte, die die Verkehrssicherheit beeinflussen.

In einem länderübergreifenden Forschungsprojekt unter der Leitung von Salzburg Research wurden daher mittels empirischer Untersuchungen und modernster Messtechnologien konkrete Empfehlungen erarbeitet, wie Radfahren auf Hauptstraßen bei beengten Verhältnissen sicherer und komfortabler gestaltet werden kann. Durch den Einsatz von Open Bike Sensoren, stationären und mobilen Laser-Systemen (LiDAR – Light Detection and Raging) sowie kamerabasierter Analyse konnten erstmals umfassende Daten zur Verkehrssituation und deren Wirkung auf Radfahrende erhoben werden. Die Ergebnisse zeigen: „Es braucht bei Straßen mit beengten Verhältnissen eine ‚deutlichere Sprache der Infrastruktur‘ und/oder restriktive rechtliche Maßnahmen, um einen gewünschten Mindestüberholabstand zu gewährleisten“, sagt Sven Leitinger, Leiter der länderübergreifenden Studie bei Salzburg Research.

Innovative Messmethoden zur Bewertung der Überholvorgänge

Ein maßgeblicher Parameter für die Sicherheit und den Komfort der Radfahrenden ist der Abstand, den Kfz beim Überholen einhalten. Ein Überholabstand von 1,5 Metern im Ortsgebiet wird als sicher empfunden – das entspricht auch dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestüberholabstand in Deutschland und Österreich. Ein besonderer Schwerpunkt im Forschungsprojekt lag daher auf der objektiven Ermittlung der tatsächlichen Überholabstände in zahlreichen Feldstudien.

In den Feldstudien kamen verschiedene Methoden der Datenerfassung und -analyse zum Einsatz: Open Bike Sensoren, stationäre und mobile LiDAR-Sensoren, Videobeobachtungen, humansensorische Messungen und Befragungen. Insbesondere mit der eingesetzten LiDAR-Sensorik, unter anderem in Form eines Forschungsfahrrades, wurde ein neuer innovativer Messansatz eingesetzt, mit dem der gesamte Überholvorgang erstmals objektiv erfasst werden kann.

Insgesamt wurden über 7.000 Kfz-Überholvorgänge von Radfahrenden auf 22 Teststrecken in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert.

Ergebnisse der Feldstudien: Überholabstände sind zu gering

Die umfangreichen Feldtests zeigten klar: Die herkömmliche Radfahrinfrastruktur bzw. ein Mischverkehr von Kfz und Fahrrädern ohne Fahrradinfrastruktur führt bei beengten Verhältnissen überwiegend nicht zum gewünschten Überholverhalten. Trotz unterschiedlichster Charakteristika liegen die Mediane der Überholabstände bei fast allen Teststrecken zwischen 1,0 und 1,3 Metern und damit unter dem in Österreich und Deutschland geltenden Mindestüberholabstand von 1,5 Metern.

Bei den Testfahrten mit dem Forschungsfahrrad konnten auch Distanzen und Geschwindigkeiten zwischen dem Kfz und dem Fahrrad zu unterschiedlichen Zeitpunkten – in der Annäherung, beim Ausscheren und beim Vorbeifahren – erhoben werden. Insbesondere bei Teststrecken mit höheren Verkehrsmengen kam es zu knapperem Auffahren der Kfz, längerem Hinterherfahren mit kleinem Abstand, risikobereiteren Überholmanövern und gefährlicherem Wiedereinscheren vor den Fahrradfahrenden.

Empfohlene Lösungsansätze für mehr Sicherheit an Engstellen

Ein zentraler Lösungsansatz ist, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Kfz-Überholvorgänge mit ausreichend großem Abstand zu Radfahrenden erfolgen oder ganz unterlassen werden.

Für Straßenbreiten zwischen 6,5 und 9,5 Metern wird die Einführung von breiten Radstreifen und schmäleren Kernfahrbahnen bei Tempo 30 empfohlen, um die Überholabstände zu optimieren. Für noch engere Abschnitte schlagen die Forschenden qualifizierten Mischverkehr mit einer max. zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und zusätzlichen Markierungen – Piktogrammketten/Sharrows – zur Erhöhung der Sichtbarkeit von Radfahrenden vor. Zusätzlich wurden konkrete Empfehlungen zu rechtlichen Aspekten in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Vorschläge für asymmetrische Radverkehrsführung, bei punktuellen Engstellen, in Einrichtungsfahrbahnen sowie für partizipative Prozesse zur Einbindung relevanter Akteure erarbeitet, um evidenzbasierte Entscheidungen zur Radverkehrsführung zu fördern.

Die Handlungsempfehlungen bilden eine wichtige Grundlage für die praktische Umsetzung in Städten und Gemeinden in der D-A-CH-Region. Ziel ist es, bestehende Netzlücken zu schließen und den Radverkehr sicherer und attraktiver und den Verkehr insgesamt klimafreundlicher zu gestalten.

Weiterführende Materialien:


Hintergrundinfo Forschungsprojekt RADBEST

Das Projekt RADBEST wurde durch ein multidisziplinäres sowie multinationales Konsortium bearbeitet: Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH (AT), Universität Salzburg, Fachbereich Geoinformatik (AT), Steinbeis Transferzentren GmbH an der Hochschule Karlsruhe, Prof. Eckart, Professur für Verkehrsökologie (DE), Ostschweizer Fachhochschule, Kompetenzzentrum Fuss- und Veloverkehr, Prof. Hagedorn (CH), con.sens mobilitätsdesign (AT) und KFV – Kuratorium für Verkehrssicherheit (AT).

RADBEST ist eine beauftragte F&E-Dienstleistung des Österreichischen Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK), des Deutschen Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) und des Schweizer Bundesamts für Strassen (ASTRA) unter dem Programmmanagement der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG).

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T: +43/662/2288-282 | M: +43/664/814 2016
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