Digitale Hilfe für internationale Katastrophenhelfer

Ein Erdbeben legt Gebäude in Schutt und Asche, die Kommunikationsinfrastruktur liegt lahm. Ein Nachbeben erfordert weitere Evakuierungen, es entgleist ein Zug, giftige Chemikalien treten aus und ein ganzer Wald gerät in Brand – so lautete das Krisenszenario für eine umfangreiche Katastrophenübung in Griechenland, die von 24. bis 26. November 2014 mit internationaler Beteiligung über die Bühne ging. Zum Einsatz kommt das IDIRA-System, an dem Forscher von Salzburg Research Forschungsgesellschaft seit 2011 arbeiten.

Krisentaugliche, mobile Kommunikationsinfrastruktur

In schweren Katastrophenfällen, die von einem Land alleine nicht mehr bewältigt werden können, arbeiten viele verschiedene Blaulicht- und Hilfsorganisationen Hand in Hand. Damit diese Zusammenarbeit möglichst reibungslos funktioniert, muss eine effiziente und flexible Kommunikation gewährleistet sein. Gerade bei großen Naturereignissen oder Katastrophen gilt es in der Zusammenarbeit viele Barrieren zu überwinden: unterschiedliche technische Systeme, die Einsatzkräfte verfügen nicht über das gleiche Hintergrundwissen und treffen oftmals auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein usw. Bei grenzüberschreitenden Einsätzen treten zudem auch sprachliche und kulturelle Verständigungsschwierigkeiten auf.

High-Speed Datenverbindung trotz Totalausfall

Damit die Kommunikation zwischen den Hilfsorganisationen selbst dann reibungslos funktioniert, wenn Funknetze und andere Kommunikationsinfrastruktur zusammenbrechen, haben die Forscher von Salzburg Research ein innovatives System geschaffen. Gemeinsam mit dem burgenländischen Unternehmen Roofnode wurden so genannte „Wireless Gateways“ entwickelt. „Mit Hilfe der Wireless Gateways kann ein flexibles, mobiles und autarkes Kommunikationsnetzwerk aufgebaut werden, wo sonst gar nichts mehr funktioniert“, erklärt Dorfinger. Die Gateways richten sich eigenständig mittels drei Richtantennen direkt zur Basisstation bzw. benachbarten Gateways im Umkreis von bis zu fünf Kilometern Entfernung aus und stellen mit zwei Stabantennen ein lokales Netzwerk zur Verfügung.

Informationsaustausch, Ressourcenplanung und Entscheidungsprozesse via Tablet-Computer

Auch bei der Entwicklung der Web- und Tablet-Anwendung für die Einsatzleiter hat Salzburg Research die tragende Rolle übernommen. Für die speziellen Anforderungen im Ausnahmezustand wurde an neuartigen Eingabe- und Darstellungsmöglichkeiten für Geoinformation entwickelt und getestet. Die Kommunikation funktioniert webbasiert und georeferenziert in beide Richtungen, alle Beobachtungen und Vorkommnisse können ganz einfach in eine digitale Karte eingetragen werden: Die oberste Einsatzleitung weiß zu jeder Zeit, welche Teams wo arbeiten und welche Ressourcen verfügbar sind. Sie kann rasch Informationen an die Einsatzleiter der einzelnen Hilfstrupps weiterleiten und Tasks verteilen. Die Gruppenleiter vor Ort können jederzeit weitere Ressourcen anfordern und aktuelle Vorkommnisse melden.

Brücke eingestürzt, nicht passierbar!

Jedes Team im Einsatzgebiet kann mittels Tablet-Computer aktuelle Vorkommnisse und Beobachtungen vor Ort in Echtzeit rückmelden. Bei der Überwindung von Sprachbarrieren helfen strukturierte Eingabemasken für Schadensmeldungen: damit werden die wichtigsten Informationen wie GPS-Position, Schadensausmaß usw. in der eigenen Muttersprache eingegeben und als englischer Text an alle anderen Teams sowie die oberste Einsatzleitung weitergeleitet. Wird ein neuer Task zugeteilt, kann sich das Team sofort vom System zum neuen Einsatzort navigieren lassen. „Alle Teams im Einsatz haben damit stets den gleichen Informationsstand, alle relevanten Informationen werden über das IDIRA-System für alle sichtbar gemacht“, erklärt Projektleiter Dorfinger.

IDIRA-System im Einsatz

Das IDIRA-System hat schon mehrere große Feldtests erfolgreich absolviert. Der erste Test simulierte eine Pandemie in Österreich gemeinsam mit dem Roten Kreuz Österreich. Beim zweiten Test Anfang Oktober wurde eine Überflutung in Dresden und im Deutsch-Polnischen Grenzgebiet bei Görlitz/ Zgorzelec in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz simuliert. Einheiten von Feuerwehr, THW, dem deutschen und polnischen Roten Kreuz sowie eine Rettungshundestaffel arbeiteten dank IDIRA nahtlos miteinander an simulierten Rettungsaktionen, Dekontamination, medizinischer Versorgung sowie der Suche nach vermissten bzw. verschütteten Personen.

Das Szenario für die Großübung Ende November in Griechenland beinhaltete ein großes Erdbeben mit diversen Nachbeben, durch die es zu umfangreichen Rettungs- und Evakuierungseinsätzen kommt: ein Zug entgleist und es kommt zu einem schwerwiegenden Chemieunfall mit Großbrand. Neben dem österreichischen und dem deutschen Roten Kreuz sowie dem italienischen Feuerwehrverband nahmen zahlreiche griechische Institutionen an dieser Übung teil: Polizei, Küstenwache, Feuerwehr, Bahngesellschaft, das Verteidigungsministerium usw. Das IDIRA-System hat während der gesamten Übung einwandfrei funktioniert.

Ausblick

Das europäische Forschungsvorhaben IDIRA läuft noch bis Ende April 2015. Für die mobile Anwendung gibt es bereits das Interesse der Verwertung durch Kooperationspartner innerhalb des Projekts. Die in IDIRA entwickelte Kommunikationslösung soll so adaptiert werden, dass Sie Einsatzkräften in ihrem täglichen Einsatzgeschehen eine zuverlässige Breitbandverbindung sicherstellt.

Salzburg Research ist dafür aktuell auf der Suche nach Partnern für die Umsetzung sowie nach Einsatzkräften, die Interesse an innovativen Lösungen für ihre Datenkommunikation haben.

Forschungsprojekt „IDIRA“

Das Forschungsprojekt „IDIRA“ (Interoperability of data and procedures in large-scale multinational disaster response actions) wird von der Europäischen Union gefördert. Insgesamt 17 europäische Partnerinstitutionen forschen und entwickeln unter der Leitung des Fraunhofer Institut IVI aus Dresden.
www.idira.eu

Kontakt

PETER DORFINGER
Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH
T: +43/662/2288-452 | | LinkedIn
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